Studierende beauftragen - Kosten sparen?

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Kürzlich beim BDÜ-Übersetzerstammtisch in Neckarsulm: Eine Kollegin erzählt, sie sei von einer Studierenden im 1.(!) Semester um Rat gebeten worden, wie viel sie für eine Übersetzung verlangen sollte. Das vom potenziellen Auftraggeber gebotene Honorar sei unterirdisch gewesen. Unsere erste Reaktion war natürlich das allgemeine Beklagen der Preisentwicklung in der Branche. Aber dann kam ich ins Grübeln.

Das Problem liegt doch eigentlich woanders. Ein niedriges Honorar ist in dem Fall der Studierenden doch gerechtfertigt und verständlich. Warum sollte jemand einen Meisterlohn für die Arbeit von Auszubildenden zahlen wollen?

Azubi oder Meister:in?

Die Frage, die sich stellt, ist doch eher die, warum jemand Auszubildende beauftragen möchte und keine Meister:innen bzw. qualifizierten professionellen Übersetzer:innen oder Dolmetscher:innen? Wollte ich z. B. eine Treppe im Haus haben, die alleine von Auszubildenden gebaut wurde oder von Heimwerkern, die in der Schule "ziemlich gut in Technik" waren? Würde ich mir vom Friseur-Azubi im ersten Lehrjahr ohne Aufsicht die Haare schneiden lassen wollen? Oder von Medizinstudierenden im 1. Semester eine Diagnose stellen und eine Behandlung angedeihen lassen? Eher nicht – zu riskant - besonders beim Thema Haare – nicht auszudenken ;-)

Warum aber vertrauen einige beim Thema Übersetzen und Dolmetschen Laien oder noch in Ausbildung befindlichen Studierenden? Liegt es vielleicht daran, dass wir alle täglich Sprache nutzen und uns der Tücken nicht so bewusst sind? Dabei ist nicht jeder begnadete:r Schriftsteller:in, Rechtschreibkönner:in oder Grammatikexpert:in ist – nicht einmal in seiner Muttersprache. Oder ist eher das Gegenteil der Fall, dass wir fremd- oder muttersprachliche Kenntnisse in einer fremden Sprache überschätzen, wenn wir selbst eine Sprache gar nicht oder nur mangelhaft beherrschen? Oder können wir die Qualität schlicht nicht kontrollieren im Gegensatz zu manch anderer Leistung und entscheiden deshalb nur nach den Kosten? Wer mit der Tätigkeit keine Erfahrung hat, möchte vielleicht gerne glauben, dass es reicht eine Sprache oder Fremdsprache gut zu sprechen, um übersetzen und dolmetschen zu können.

Übersetzen ist Handwerk - und mehr als Sprache

Doch Übersetzen und Dolmetschen sind vor allem auch Handwerke, die man erlernen und üben muss, bis man sie beherrscht. Es sind sogar zwei unterschiedliche Handwerke, die lediglich das gleiche Rohmaterial nutzen – die Sprache. Allein schon daran erkennt man, dass Sprache nur ein Aspekt ist. Die Techniken des Umgangs mit der Sprache unterscheiden sich, weshalb die Berufe auch nicht einfach so austauschbar sind. Da steckt viel mehr drin als die Sprache.

Es braucht zudem Fachkenntnisse, die Studierende in den ersten Semestern nicht oder noch nicht haben können. Diese sind aber wichtig, um einen Text wirklich zu verstehen. Als Beispiel nenne ich oft eine Situation, die viele kennen: Autowerkstatt - Ihnen wird berichtet, was gemacht werden muss oder wurde. Wenn Sie nicht zufällig Kfz-Mechaniker:in sind, dann verstehen Sie vermutlich nur Bahnhof. Oder denken Sie an das Kleingedruckte eines Vertrags, das oft gar nicht gelesen wird, „weil ich das sowieso nicht verstehe“. Doch ohne Verständnis geht nichts beim Übersetzen und Dolmetschen.

Ein weiterer Punkt sind die Werkzeuge, die professionelle Übersetzer:innen nutzten, vom Fachwörterbuch bis zum Translation-Memory-System oder Recherchemethoden. Die werden Studierende oder Laien nicht haben, da diese unter anderem mit Kosten verbunden sind. Trotzdem sind diese Werkzeuge wichtig, um ordentlich arbeiten zu können.

Um wieder zu den Handwerkern zurückzukommen: Wir würden auch staunen, wenn Handwerker nur mit Schraubendreher und Hammer kämen anstelle von Spezialwerkzeugen und Geräten. Man würde sicher auch deren Professionalität anzweifeln und sich fragen, ob man nicht lieber Profis gerufen hätte.

Warum nicht beim Übersetzen und Dolmetschen? Woher kommt dieses große Vertrauen, dass diese Leistung auch von Laien oder von „Auszubildenden im ersten Lehrjahr“ erbracht werden kann? Bei nüchterner Betrachtung ist eine vergleichbare oder gleichwertige Leistung gar nicht möglich.

Die Antwort auf obige Frage lautet damit: Ja, man kann Kosten sparen, wenn das Ergebnis nicht so wichtig ist. Denn es besteht bekanntermaßen meist ein Zusammenhang zwischen Qualität und Kosten, wie bei jedem anderen Produkt oder einer Dienstleistung auch. Da muss eben jeder sein Maß für den Einzelfall finden.

Respekt gegenüber Beruf und Kunden

Eine andere Frage, die sich stellt, ist jedoch auch die, was Studierende im 1. Semester dazu bringt zu glauben, Übersetzungen gegen Entgelt anbieten zu können? Eine scheinbar attraktive Möglichkeit etwas hinzuzuverdienen wird wohl die Hauptmotivation sein. Von Respekt vor dem eigenen angestrebten Beruf und gegenüber seinen Kunden zeugt es jedoch weniger. Man tut sich auch selbst keinen Gefallen damit, wenn man solche Aufträge annimmt. Spätestens wenn man dann am Auftrag sitzt, wird einem schnell klar, warum ein Studium oder eine Fachakademieausbildung meist mehrere Jahre dauert und auch die eigenständige Vorbereitung auf eine staatliche Prüfung sowie die Prüfung selbst recht anspruchsvoll sind. Im Falle von Betriebsanleitungen oder Drucksachen steht auch noch die Frage der Haftung im Raum, auf die ich hier jedoch nicht näher eingehen möchte. Man sollte es sich tatsächlich gut überlegen, ob es sinnvoll ist, eine solche „Gelegenheit“ zu nutzen, oder lieber erst einmal zu lernen und das Gelernte erst zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen.

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